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disposito (2004)

Internationales Paul-Frankl-Kolloquium
aus Anlaß des 100. Geburtstages des Halleschen Instituts für Kunstgeschichte

22.- 23. Oktober 2004

dispositio
Der Grundriß als Medium in der Architektur des Mittelalters

Greifbar ist der Grundriß als Planungsmedium erst seit dem frühen 13. Jahrhundert. Was vorher war, wissen wir nicht. Und bis zum Ende des Mittelalters soll der Entwurf des Architekten allein aus dem Medium des zweidimensionalen Planes heraus entwickelt worden sein, die Wirkung seines Entwurfs in der dritten Dimension sei für den Architekten bestenfalls in sehr reduzierter Form vorhersehbar gewesen.

Diese Fragen stehen im Zentrum des Internationalen Paul-Frankl-Kolloquiums, mit dem das Institut eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Faches auf dem Gebiet der mittelalterlichen Kunst, Paul Frankl (1878-1962), ehrt. 12 Jahre lang hat er in Halle gelehrt, bis er 1934 als Jude durch das NS-Regime von der Universität vertrieben wurde.

Die Vorträge:

Leonhard Helten (Halle)
"Offene Fragen zum Grundriß als Medium in der Architektur des Mittelalters"

Greifbar ist der Grundriß als Planungsmedium erst seit dem frühen 13. Jahrhundert. Was vorher war, wissen wir nicht. Heute spricht alles dafür, daß das Fehlen von Planzeichnungen im 11. und 12. Jahrhundert nicht einer Überlieferungslücke geschuldet ist. In dieser Zeit war die ständige Präsenz des leitenden Architekten unabdingbare Voraussetzung für den Fortgang der Bauarbeiten. Spätestens seit dem 14. Jahrhundert begegnen dagegen "reisende Baumeister", die für eine feste Summe die Pläne für ein neues Bauwerk anfertigen und dann nur noch von Zeit zu Zeit eigens anreisen, etwa beim Versatz der Pfeiler oder dem Einziehen der Gewölbe. Über den Entwurfsprozeß selbst gehen die Meinungen weit auseinander: So wird behauptet, daß bis ins späte Mittelalter hinein bestimmte Raumvorstellungen eine bestenfalls sekundäre Rolle bei der Planfindung spielten, daß der zweidimensional entwerfende Architekt die Wirkung seines Entwurfs in der dritten Dimension nur in reduzierter Form habe vorhersehen können. Andere widersprechen dem vehement, dies hieße, die Imaginationsfähigkeit des Architekten grundsätzlich in Frage zu stellen. Heißt es das wirklich? Und wie verträgt sich diese Haltung mit dem Befund, daß bis zum Ende des Mittelalters nördlich der Alpen nicht ein einziges Architekturmodell nachweisbar ist?

Stefan Bürger (Dresden)
"Versiert oder visiert - Entwurfsprozesse für figurierte Gewölbe"

Die Überlegungen zum Entwurfsverfahren figurierter Gewölbe gehen davon aus, daß einfache Figurationen entsprechend den Kreuzgewölben nur aus dem Grundriß entwickelt wurden und daher keine Aufrißplanungen und auch keine Visierungen notwendig waren. Der Nachweis erfolgt über die formale und konstruktive Ableitung der figurierten Gewölbe von den Kreuzgewölben. Eine nachhaltige Veränderung der Entwurfspraxis vollzog sich erst mit der Anlage reicherer Rippensysteme im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts. Die Grenzziehung zwischen visierten und unvisierten Gewölben wird exemplarisch vorgestellt. Abschließend wird der Entwurfsprozeß für das Langhaus- und das Chorgewölbe der Zwickauer Marienkirche mit Hilfe der erhaltenen Wölbrisse beschrieben.

Bernd Röder (Trier)
"Zu den Auswirkungen der Turm- und Fassadenkonzeption auf die Grundrißplanung am Beispiel der Kathedralen Laon und Reims"

Mit dem Einbeziehen doppeltürmiger Fassaden in das Lang- bzw. Querhaus, wie es sich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im nördlichen Frankreich allgemein beobachten läßt, entwickeln sich Turm und Fassade zu integralen Bestandteilen des Kirchengebäudes. Um Brüche im Grund- und Aufriß zu vermeiden, mußte das bauliche Gesamtgefüge den spezifischen Erfordernissen dieser Bauteile Rechnung tragen. Welche Konsequenzen sich daraus für die Grundrißgestaltung ergaben, läßt sich am Beispiel der Kathedralen in Laon und Reims veranschaulichen.

Marc Steinmann (Köln)
"Funktion und Bedeutung mittelalterlicher Architekturzeichnungen am Beispiel der Kölner Fassadenplans F"

Trotz - oder vielleicht - wegen seiner langen Bauzeit (1248-1520, 1842-1880) haben sich vom Kölner Dom sieben mittelalterliche Planzeichnungen erhalten. Zwei weitere, heute verlorene Pläne sind Dank jüngerer Nachzeichnungen überliefert. Alleine schon auf Grund seiner Größe von über 4,06m Höhe und einer Breite von 1,66m nimmt der sogenannte Fassadenriß F eine Ausnahmestellung ein. Darüber hinaus ist eine Datierung des Planes möglich. Statt der bisher allgemein akzeptierten zeitlichen Einordnung um 1300, muß die Zeichnung schon vor 1283 entstanden sein. Mit dieser Frühdatierung ergeben sich nicht nur Konsequenzen für die Planungsgeschichte der Kölner Fassade, sondern auch für das Verhältnis zwischen den Fassadenprojekten des Straßburger Münsters und des Kölner Domes.

Raphaël Rijntjes (Utrecht)
"Die frühmittelalterliche `Pastophorienkirche`. Abschied von einem westeuropäischen Bautypus?"

Seit Günter Bandmann 1956 in großen Zügen das Panorama des westeuropäischen Kirchenbaus mit seitlichen Annexen umrissen hat, ist dieser Bautypus zu einem festen Bestandteil der frühmittelalterlichen Architekturgeschichte geworden. Das Schema von einfacher Saalkirche mit symmetrisch angefügten seitlichen Annexen sei von syrischer Kirchenarchitektur beeinflußt worden. Es handelt sich um eine geographisch weitverbreitete Gruppe mit großen regionalen Unterschieden. Seit 1956 hat man die Terminologie für diesen westeuropäischen Bautypus nicht präziser definiert und die liturgischen Voraussetzungen und den Zusammenhang mit byzantinischen Kirchen nur sparsam untersucht. Inwieweit läßt er sich heute noch mit den neuesten liturgischen und architekturhistorischen Forschungen vereinbaren?

Timothy Juckes (London)
"Plan and Plan Change at the Church of St. Elisabeth in Košice: Masons, Patronage and Liturgy"

The unusual design of St. Elizabeths in Košice means that it has often been considered a "problem church". Certain aspects of its ground-plan, especially the diagonal chapels and the centralising tendencies, are not readily explained. Whilst some motifs and sculptural details are suggestive of particular sources, it has proved difficult to establish firm links. Such complications are partly the product of plan-changes during construction, which are made harder to analyse by a lack of documentary evidence and a radical nineteenth-century restoration. But, it will be suggested here, the application of certain types of stylistic art history has also inhibited our understanding of the design. By attempting a more functional analysis, which concentrates on the planning of church as a setting for liturgy and ceremony, it is possible to suggest new solutions for old problems.

Wim Boerefijn (Utrecht)
"Town Planning and Town Plans in the 12th to 15th Centuries"

In this presentation the idea of the plan, as well as material plans drawn on paper, described in documents or actually built, will be regarded concerning the field of town planning in the period of the 12th to 15th centuries. In this period thousands of new towns were built all over Europe, and thousands more were extended. Mostly this was done through more or less careful planning. But unfortunately, we are barely informed on how this was exactly done. Starting from the few sources that there are concerning this matter, it will, however, be argued that the idea of the two-dimensional plans of the structure must have played an important role in many cases.

Wolfgang Schenkluhn (Halle)
"Die Grundrißfiguren im Bauhüttenbuch des Villard de Honnecourt"

Grundrißfiguren spielen im Hochmittelalter eine größere Rolle als gemeinhin angenommen wird. So finden sich im Bauhüttenbuch des Villard de Honnecourt eine Vielzahl von Grundrissen, die erkennbar unterschiedliche Funktion und Bedeutung haben. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei der Chorgrundriß. Offenbar kam der Chorpartie im Bewußtsein der Entwerfenden, Planenden oder Bauverantwortlichen eine besondere Bedeutung zu. An den Chorfiguren oder Chorformen unterschieden sich die Kirchen in erster Linie, was im Gegensatz zur modernen Architekturtypologie steht, die den Sakralbau in der Regel am Aufriß des Langhauses differenziert. Auf die Gründe dieser unterschiedlichen Sichtweisen geht der Vortrag ein.

Lex Bosman (Utrecht)
"Der Chorumgang. Geschichte und Rezeption eines Grundrißtyps in mittelalterlicher und nachmittelalterlicher Zeit"

Immer wieder wurde der mittelalterliche Chorumgang als eine Erfindung der Romanik ("Lieblingskind", so Dehio) beschrieben, die dann in der Gotik ihre größte Entfaltung erfuhr. Eine Entwicklungsgeschichte des Chorumgangs aber fehlt bis heute, weil Entwicklung, Funktion und Wandel des Chorumgangs im Einzelnen nicht immer deutlich zu fassen sind, so das genaue Verhältnis zwischen den wenigen frühchristlichen Chorumgängen und den späteren Beispielen. In klaren Konturen zeichnet sich die Verbreitung des Chorumgangs im 12. und 13. Jahrhundert ab, doch liegen Entstehung wie Ende dieses architektonischen Konzepts des Mittelalters noch immer im Dunkeln. Deswegen auch wurden vielfach nachmittelalterliche Chorumgänge als "altmodisch" abqualifiziert. In dem Vortrag werden einige Entwicklungslinien des Chorumgangs nachgezeichnet und nach den jeweiligen Bedeutungen gerade der nachmittelalterlichen Beispiele gefragt.

Marcus Frings (Münster) und Leonhard Helten (Halle)
"Überlegungen zu einer Grundrißdatenbank"

Was eine Datenbank zu Architekturzeichnungen leisten kann, wird am Beispiel des Lineamenta-Projektes der Bibliotheca Hertziana, einer Forschungsdatenbank für Architekturzeichnungen, vorgeführt. Sie macht die Entwürfe nicht nur im Netz verfügbar, sondern enthält auch Interaktionsmöglichkeiten wie Skalierung und Markierung. Eine Datenbank mit Bestandsplänen sollte diese Möglichkeiten aufgreifen und weiterentwickeln. Ziel könnte ein Arbeitsinstrument sein, das Pläne einerseits digital verfügbar macht, andererseits auch bestimmte Analysen übernimmt, um das Potenzial des Computers auszunutzen. Am Beispiel von drei konkreten Konzeptionen sollen im Vortrag Möglichkeiten und Grenzen einer Grundrißdatenbank ausgelotet und vorgestellt werden.

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